Astrid Rothe-Beinlich im Gespräch zur Situation oppositioneller Jugendlicher in der DDR
In Erfurt wurde am 4. Dezember 1989 mit der ersten Besetzung einer ehemaligen Bezirksverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit Geschichte geschrieben. Daran wird alljährlich am 4.12. um 18 Uhr vor der heutigen Bildungs- und Gedenkstätte Andreasstraße erinnert.
„Als klar wurde, dass von staatlicher Seite nichts gegen die Aktenvernichtung getan wurde, versammelten sich immer mehr Menschen in der Andreasstraße vor der Stasizentrale und begehrten Einlass. Der Dank gilt hier ganz besonders einer mutigen Gruppe Erfurter Frauen.
Schließlich sollte eine zehnköpfige Delegation Zutritt erhalten – gleichzeitig begann die Besetzung über den schlecht gesicherten Hintereingang. Die Stasi wurde im wahrsten Sinne des Wortes überrumpelt„, erinnert die grüne Abgeordnete und Sprecherin für Aufarbeitung, Astrid Rothe-Beinlich, an die Vorgänge des 4. Dezember 1989, die selbst in der Bürgerwache mitwirkte.
Mit der dann viele Wochen andauernden Bürgerwache und einem Hungerstreik wurde schließlich erreicht, dass die Akten bewahrt, die Arbeit des Bespitzelungsapparates beendet und der Aufarbeitung Tür und Tor geöffnet wurden.
„Diese Erinnerung gilt es – genauso wie den dauerhaften Zugang zu den Akten – zu bewahren und vor allem daraus zu lernen. Dies gelingt in herausragender Weise in der heutigen Bildungs- und Gedenkstätte Andreasstraße, die auch die ehemalige Stasuinutersuchungshaftanstalt beherbergt und somit authentischer Ort mit professioneller Bildungsarbeit zugleich ist„, so Astrid Rothe-Beinlich weiter.
Auf Bundesebene wird seit längerem an einem neuen Konzept für die BStU-Außenstellen gearbeitet. Eine Expertenkommission hatte vorgeschlagen, je Land auf eine Außenstelle zu setzen. In Thüringen sind es derzeit drei – in Gera, Suhl und Erfurt.
„Wir haben als Koalition immer wieder deutlich gemacht, dass für uns entscheidend ist, die dezentrale Aufarbeitungslandschaft dauerhaft zu stärken und Aufarbeitung gerade in der Peripherie an historischen Orten zu verankern. Uns ist jedoch auch bewusst, dass die Aktenlagerung und fachgerechte Archivierung auch entsprechende Voraussetzungen braucht. Aus grüner Sicht wäre vorstellbar, die Thüringer Akten in einem Archivneubau in Suhl zu konzentrieren und zugleich die Bildungs- und Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt und die Begegnungsstätte Amthordurchgang in Gera so weit zu ertüchtigen, dass dort auch Servicestellen für die Antragstellung zur Akteneinsicht angesiedelt werden. So würden alle drei Orte eine Aufwertung erfahren. In Suhl würden wir zudem gern eine ehemalige Freilaufzelle ertüchtigen, um diese als authentischen Ort zu bewahren. Die Archivierung in Suhl böte zudem die Chance, Richtung Westen auch über die ehemalige innerdeutsche Grenze zu wirken und zugleich einer alleinigen Konzentration auf die Landeshauptstädte zu widerstehen„, betont die grüne Abgeordnete.
Astrid Rothe-Beinlich wird sich auch am diesjährigen Gedenken vor der Bildungs- und Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt beteiligen.
Anschließend an die Buchlesung von Peter Wensierski „Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ diskutiert sie ab 19 Uhr unter anderem mit ihm über die Situation junger Oppositioneller in Erfurt.
Das Bild zeigt die Eingangssituation der Gedenkstätte Andreasstraße heute. Quelle: Gesellschaft für Zeitgeschichte (http://www.gesellschaft-zeitgeschichte.de)
veröffentlicht am 01.12.2017
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