Beschluss der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Thüringer Landtag, Gefasst auf der auswärtigen Sitzung der Fraktion am 21.11.2018 bei Radio F.R.E.I., Erfurt
Für uns als Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Zugang zu Informationen durch eine freie Berichterstattung von Presse und öffentliche Medien grundlegend für die Existenz von Demokratie. Pressefreiheit ist ein Grundrecht. Zugleich ist sie für die Meinungs- und Willensbildung der Bürger*innen eine stimulierende und orientierende Kraft, während sie das politische System kontrolliert und gleichzeitig zu Transparenz und Anpassung nötigt. Uns als Landtagsfraktion bewegt allerdings ganz besonders die Tatsache, dass auch in Deutschland und in Thüringen schwerwiegende Verletzungen der Pressefreiheit stattfinden.
Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen (ROG) hat mit ihrem letzten Jahresbericht Europa ein sehr mangelhaftes Zeugnis ausgestellt. In ihrer Rangliste der Pressefreiheit führen die Reporter zusammenfassend ein: „In keiner anderen Weltregion hat sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so stark verschlechtert wie in Europa. Journalistinnen und Journalisten sind dort zunehmend medienfeindlicher Hetze durch Regierungen oder führende Politiker ausgesetzt. Das schafft ein feindseliges, vergiftetes Klima, das oft den Boden für Gewalt gegen Medienschaffende oder für staatliche Repression bereitet.“
Besonders in Deutschland sind Journalist*innen dem Bericht zufolge Anfeindungen, Bedrohungen und Gewalttätigkeiten ausgeliefert. Dies geschieht sehr häufig im Umfeld von AfD und anderen rechtsextremen Veranstaltungen. Kritische Presse ist von der extremen Rechten nicht erwünscht, wird oft ausgeladen und häufig auch körperlich angegriffen.
Dies berichten uns auch Thüringer Journalist*innen. Eine Geringschätzung journalistischer Arbeit weisen alle rechtsextremen Gruppen auf. So wird die generelle Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Staatsverträge gefordert, „Medienbashing“ betrieben und behauptet, die „Lügenpresse hätte sich ihren Namen redlich verdient“.
Auf diese Weise entstehen immer öfter enthemmte Räume der Angst, in denen Übergriffe und Straftaten gegenüber Journalist*innen leider bittere Realität sind. So wurde Anfang des letzten Jahres in Erfurt-Nord ein MDR-Filmteam durch Rechtsextreme bei Dreharbeiten tätlich angegriffen.
Erst im April 2018 wurden zwei Journalisten im Eichsfeld brutal angegriffen, als sie Aufnahmen vom Grundstück des NPD-Chefs machten. Zwischen 2015 und 2018 wurden in der Polizeistatistik allein 15 Straftaten registriert, die als politisch motivierte Kriminalität zugeordnet werden können, bei denen Journalist*innen das Opfer waren.
Wir als Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN wenden uns ganz klar gegen jede Einschränkung der Pressefreiheit und jegliche Einschüchterung von Rundfunk, Presse und anderen Medien. Wer einen Generalverdacht gegen „die Presse“ oder „die Medien“ hegt, steht für uns nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wir als Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN stehen dazu: Pressefreiheit und eine qualitätsvolle journalistische Arbeit sind hohe Güter und die Basis für eine mündige, aufgeklärte pluralistische und demokratische Gesellschaft. Daher genießen die Journalist*innen in Thüringen unseren Dank und unsere Unterstützung.
Besonders macht uns in diesem Zusammenhang die schrumpfende Presse- und Medienvielfalt in Thüringen Sorgen. Die latente Gefahr, dass durch Zusammenlegungen und Zentralredaktionen weitestgehend identische Inhalte verbreitet werden, macht sich immer stärker bemerkbar. Daher nehmen für uns die Bürgermedien in Thüringen eine besondere Stellung ein, wenn es darum geht, Medien- und Meinungsvielfalt zu erhalten und Wirksamkeitserfahrung bei Bürger*innen zu ermöglichen.
Als selbstverwaltete Vereine bieten sie die einzigartige Chance, journalistische und Medienarbeit kennen zu lernen und zu praktizieren. Thüringen kann dabei auf eine Vielzahl von großartigen Einrichtungen blicken. Sie gehen alle aus ehrenamtlichem Engagement hervor. Ein Fakt, den man nicht oft genug betonen kann und der unsere besondere Anerkennung verdient. Die Bürgermedien in Thüringen sind aufgrund ihrer Struktur mit besonderen Bedürfnissen und Herausforderungen konfrontiert. So bedarf es insbesondere mehr Möglichkeiten der personellen Unterstützung, Wartung und Unterstützung bei der Neuanschaffung von Technik und der Professionalisierung von Mitarbeitenden.
Gerade im Hinblick auf die Herausforderungen der zunehmenden Digitalisierung sind die Bürgermedien mit hohen Kosten konfrontiert. Als Landtagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN sehen wir die Notwendigkeit, über die Förderung von Beratungsleistungen sowie ihrer technischen Umsetzung als Land unterstützend tätig zu werden. Wir wollen uns daher dafür einsetzen, dass die Bürgermedien in Thüringen gezielter und im höheren Maße finanziell unterstützt werden und alle Thüringer*innen diese landesweit empfangen können.
veröffentlicht am 21.11.2018
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