Meine Rede vom 9. November 2020

Sehr geehrter, lieber Herr Prof. Schramm, sehr geehrter Herr Landesrabbiner Nachama, liebe Mitglieder der jüdischen Landesgemeinde, sehr geehrte Damen und Herren!

Das Jahr 1938 erinnert daran, dass die Deutschen nicht nur zugesehen, sondern auch mitgemacht haben, als die Nationalsozialisten Synagogen, Geschäfte und Wohnungen zerstörten.

Die Pogrome mündeten in der totalen Entrechtung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und gelten als Ausgangspunkt des europäischen Holocaust, der schlimmsten Zeit unserer Geschichte.

Auch in Thüringen zeigte sich an diesem Tag das wahre Gesicht des nationalsozialistischen Systems:

Nicht nur wurden in der Nacht zum 10. November zahlreiche Synagogen, jüdische Friedhöfe und Geschäfte gebrandschatzt und zerstört.

Darüber hinaus sind allein aus Thüringen mehr als 1000 jüdische Menschen in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert worden.

Wir alle hatten gehofft, diesen dunkelsten Teil der deutschen Geschichte endgültig überwunden zu haben, doch mehr als achtzig Jahre nach der Reichspogromnacht steigt die Zahl antisemitischer Übergriffe nicht nur in Deutschland, sondern weltweit an.

„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.“ – schrieb der italienische Auschwitz-Überlebende Primo Levi.

Die dramatischen Bilder aus Halle oder zuletzt aus Wien haben wir alle vor Augen, doch Antisemitismus zeigt sich nicht erst dort, wo er sich in offener Gewalt darstellt.

Er beginnt schon viel früher, vor den Taten stehen die Worte.

Die Bilder vom Wochenende aus Leipzig und von anderen Corona-Leugner-Demos zeigen, dass sich dort eine gefährliche Mischung aus rechtsextremem und antisemitischem Gedankengut findet.

In den sozialen Medien können sich diese Ideologien, meist völlig ungebremst, entfalten.

Diesem Gedankengut, das zu so viel Leid geführt, müssen wir uns alle entschieden entgegenstellen.

Es darf nicht sein, dass Jüdinnen und Juden wieder in Angst und Sorge leben müssen, dass Antisemitismus und auch Rassismus unwidersprochen bleiben.

Als Politiker*innen haben wir eine besondere Verantwortung

Es gilt für unsere Gesellschaft, zivilisatorische Errungenschaften wie Menschenwürde, lebendige Demokratie und Bürgerrechte immer wieder zu sichern, dafür zu streiten und diese aktiv mit Leben zu füllen.

Dafür sind eine lebendige Erinnerungskultur, verlässliche politische Bildung und eine offene tolerante Gesellschaft die besten Präventionsmaßnahmen.

Nie wieder!

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