Angeregte Diskussion von Behindertenrechtskonvention bis kalter Progression beim Gegenbesuch im Landtag
Astrid Rothe-Beinlich hatte im letzten Jahr, auch als Vorsitzende des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit des Erfurter Stadtrates, auf Einladung des Werkstattrates die geschützten Werkstätten des Christophoruswerkes in Erfurt besucht. Neben dem gemeinsamen Kennenlernen ging es seinerzeit darum, Möglichkeiten zu suchen, wie vermieden werden kann, dass die Stadt Erfurt den Mitarbeiter*innen der Werkstatt von ihren 25 Euro Weihnachtsgeld nur 8 Euro belässt. Dank einer Initiative im Erfurter Stadtrat konnte diese kleine zusätzliche Hilfe gewährt werden.

Nun kamen Werkstattbeschäftigte zum Gegenbesuch am 12. Mai in den Landtag. Nach einer Einführung und einem Abstecher auf die Besuchertribüne kamen auf Einladung der Gastgeberin auch Vertreter der Linken-Fraktion und der CDU-Fraktion zur Gesprächsrunde hinzu.
Es ergab sich eine engagierte Diskussion, ging es doch auch zunächst um persönliche Schicksale, wie die Opfer von Zwangseinweisungen in Kinderheime in DDR-Zeiten. Welche Partei stünde denn eigentlich wofür? Und wie werden die Versprechen eingehalten? Inklusive Gesellschaft wäre ein schönes Schlagwort, was heisst das aber? Auch hätte man gehört, die geschützten Werkstätten seien gefährdet – wie stünden die Fraktionen zur Abschaffung?

In den Werkstätten würden auch Dienstleistungen für den Landtag erledigt, erklärte Astrid Rothe-Beinlich, die Aktenvernichtung für den Landtag erledigt man im Christophoruswerk. Kabelkonfektionierung, so äusserte sich ein Mitarbeiter, wäre eine schöne Arbeit. Hier arbeite man für große Elektrofirmen.

Astrid Rothe-Beinlich machte für ihre Fraktion klar, dass Bildung für alle von Anfang an und Förderung für alle und jede nach den individuellen Bedürfnissen ein Hauptanliegen einer inklusiven Gesellschaft sein solle. Sie hinterfragte auch die Unterschiede in den Ländern beim Ausgleich von Handicaps. Neben bzw. im Anschluß an ein ein inklusives Schulsystem brauche es gute und vernünftige Arbeitsplätze, aber auch geschützte Bereiche. Sie sei froh, dass es die Werkstätten gibt.
Schüler*innen mit Förderbedarf in reguläre Schulen zu integrieren, fördere auch soziale Kompetenz der Kinder. Aber, so eine warnende Stimme aus dem Publikum, Kinder wären auch grausam, es gelte aufzupassen, das die Betroffenen dort nicht untergehen. Inklusion ginge nicht für alle.
Astrid Rothe-Beinlich betonte den Vorrang der gemeinsamen Beschulung. Das erfordere aber mehr und Fachpersonal.

Die Chancen für Schwerbehinderte auf dem 1. Arbeitsmarkt seien sehr gering. Es gäbe zwar rechtliche Möglichkeiten wie Anreize aber trotzdem immer noch viele Hürden. Der Zugang in den 1. Arbeitsmarkt sei sehr schwierig, äusserten sich die Mitarbeiter*Innen.
Astrid Rothe-Beinlich erläuterte, niemand im Landtag wolle die Werkstätten abschaffen. Die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen diene auch nicht der Argumentation für eine Abschaffung, sondern werbe für mehr Gerechtigkeit, für mehr Angebote. Ein Vorteil an den Werkstätten sei auch, für die Beschäftigten würden Rentenbeiträge gezahlt, allerdings bewege man sich deutlich unter dem Mindestlohn.
Bundesgesetzlich geregelt ist, dass Empfänger von Grundsicherung weniger als Empfänger von Arbeitslosengeld II dazuverdienen dürften. Warum eigentlich, fragten die Teilnehmer*innen der Runde? Höhere Zuverdienstmöglichkeiten wäre eine Forderung von Ihnen. Man arbeite doch durchschnittlich 35 Wochenstunden in den Werkstätten, viele haben dabei individuelle Regelungen. Das sei „wie ein richtiger Job“, hieß es, „man gehe zur Arbeit, nicht in die Werkstatt.“
Angeregt wurden auch einheitliche Regelungen für Ermässigungen bei allen öffentlichen, städtischen, Einrichtungen in Erfurt. Helfen würden auch Maßnahmen gegen den Verkehrslärm, alle wohnten schließlich in eigenen Wohnungen, oft an belasteten Straßen.

Arbeitsplätze außerhalb der Einrichtungen sind besonders begehrt. Ob es da nicht auch Möglichkeiten im Landtag gäbe. Astrid Rothe-Beinlich versprach, nachzufragen.
Erniedrigungen und Beschimpfungen würden sie täglich erleben. Das erzeugt Ängste. Mehr Öffentlichkeitsarbeit würde hier mehr Respekt erzeugen.
Die Frage nach der Haltung der Parteien zur Abschaffung der kalten Progression setzte den i-Punkt auf eine angeregte DIskussion, die weit über eigene Betroffenheit hinausging.
Bilder: Petra Eckardt (2-6), grüne Landtagsfraktion
veröffentlicht am 13.06.2017
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