9. Radwanderung der Grünen Landtagsfraktion und DAKT e. V.
Poppau in der Altmark, so geht die Sage, sei der Mittelpunkt der Welt. Dieser, durch einen großen Stein markiert, markierte auch die Mitte unserer diesjährigen Radtour „GrenzerFAHRung“ entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Die mittlerweile 9. Radwanderung der Grünen Landtagsfraktion, koordiniert von Astrid Rothe-Beinlich, und Der Alternativen Kommunalpolitik Thüringen (DAKT) e. V. mit rund 30 Teilnehmer*innen fand wie immer traditionell am ersten Wochenende nach dem 13. August, dem Tag des Mauerbaus statt, vom 17. bis 19. August.
Zentraler Treffpunkt für alle, die mit Bus und Fahrradtransporter aus Erfurt kommenden und die individuell Anreisenden aus Hannover, Köln oder Göttingen war das Wolfsburger Schloss. Wer hätte in einer Stadt, die in diesem Jahr ihren 80. Jahrestag begeht, ein historisches Schloss vermutet, das deutlich älter als die Stadt ist? Die Geschichte der Stadt und der Region unweit der ehemaligen innerdeutschen Grenze wurde mit einer Führung durch das Wolfsburger Stadtmuseum erläutert, dessen Gebäude womöglich noch einmal deutlich älter als das Schloss selber waren.. Klar wurde, dass ohne den günstigen Verkehrsweg über den Mittellandkanal und die Zwangsarbeiter*innen während der NS-Zeit das Volkswagenwerk niemals so schnell hätte entstehen können. Interessanter Fakt: Heute gilt Wolfsburg dank der Gastarbeiter*innen u.a. als eine der größten italienischen Kommunen nördlich der Alpen.
Über den Mittellandkanal ging es von dort nach Sachsen-Anhalt, vorbei an vielen Kanälen und Gräben in den Naturpark Drömling. Der Drömling ist eine in Deutschland einzigartige Niedermoorlandschaft und ein ökologisch sehr wertvolles Gebiet, wie uns ein Naturpark-Ranger auf einer Führung per Rad nahebrachte. Die Gestalt des Drömling ist wesentlich durch Entwässerungsmaßnahmen im 18. Jahrhundert entstanden (siehe wikipedia). Im Drömling leben neben vielen anderen Tieren derzeit etwa 400 Biber. Seit dem Ende des II. Weltkrieges war der Drömling durch die innerdeutsche Grenze geteilt, ein kleinerer Teil befindet sich auf niedersächsischem, der weitaus größere Teil auf heute sachsen-anhaltinischem Gebiet. Zugegeben: Viele Tour-Teilnehmer*innen hatten noch nie etwas vom Drömling gehört. Damit sich auch das ändert, hat man sich auf den Weg gemacht, ein länderübergreifendes Biosphärenreservat zu werden. Die grüne Umweltministerin in Sachsen-Anhalt, Claudia Dalbert, wird als eine große Unterstützerin der weiteren Entwicklung und Erhaltung der einzigartigen Landschaft des Drömlings geschätzt.
Am Abend gab es noch einen Vortrag des Vereins Katachel e.V. – einem Hilfsverein für Kunduz in Afghanistan – der unter anderem Hilfe zur Selbsthilfe organisiert, indem er bspw. Näher*innen ausbildet und den Bau von Schulen vor Ort unterstützt.
Der Samstag begann wieder in Niedersachsen, bei Zicherie/Brome. Nach einem kurzen Abstecher zur Burg Brome waren Ort und Schloss Neumühle unser erstes Ziel. Carsten Meyer, ehem. grüner Abgeordneter und Vorsitzender von DAKT e. V., in dessen Geburtsregion wir uns mit dieser Tour bewegten, erläuterte uns die Eigenheiten und die Historie des Schlosses. Dieses ist ein Nachbau des Wolfsburger Schlosses, allerdings gefertigt aus Stahlbeton. Es gilt damit als jüngster Schlossneubau Deutschlands, 1942 fertiggestellt (siehe wikipedia).
Nun ging es aber „Mitt‘n in de Welt“, wir kamen zum motto-gebenden Mittelpunktsstein in Poppau in der Altmark und von dort ging es nach kurzer Rast weiter zum Ökodorf Sieben Linden. Eine Führung brachte uns u.a. zu dem wohl ersten genehmigten Strohballenhaus Deutschlands. In der Gemeinschaft Sieben Linden leben derzeit rund 150 Menschen, die versuchen, ihren ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten. Die Lage im Kreis und vielfältige u.a. berufliche Notwendigkeiten führen aber trotz vieler Bemühungen zur Minimierung auch zu einem nicht unerheblichen Autoverkehr. Spannend waren die Organisation des genossenschaftlichen Zusammenhalts sowie u.a. der Gärtnerei und die Ruhe im Ort, da aller Autoverkehr am Ortsrand endet. Linden gibt es im Ort übrigens trotz des Namens nicht, nur an dem Weg, der zum Dorf führt. Das Mittagessen – überwiegend aus dem eigenen Garten – überzeugte mindestens genauso wie der kombinierte Lösch- und Schwimmteich.
Die zweite Etappe des Tages führte uns durch die sehr trockenen Altmark-Landschaften in Richtung noch trockenerer Heidelandschaften. Abends erwartete uns eine wunderbar freundlich ungarisch-niedersächsische Herberge. Neben einem leckeren Abendessen erwartete uns dort auch der niedersächsische Grüne und Wirt, Christian Schröder, der nicht nur Stadtrat in Wittingen und Mitglied im Kreistag ist, sondern zudem eine Streuobstwiese und einen Bienenwagen sein Eigen nennt und selbst direkt an der Grenze mit Blick nach Sachsen-Anhalt aufgewachsen ist. Er berichtete uns viel über grünes Engagement gerade auch mit Blick auf das grüne Band und Tourismus vor Ort.
Der 3. Tag begann im Übernachtungsort Wittingen. Unser Weg führte über den Elbe-Seiten-Kanal, manche der Einheimischen nennen ihn auch Elbe-Pleiten-Kanal, über die geplante Trasse einer weiteren unsinnigen Zerschneidung der schönen Landschaft (A39) zum Otternzentrum Hankensbüttel. Im Rahmen unseres geführten Besuches dort konnten wir u.a. Fischottern und Steinmardern bei der Fütterung zusehen. Wir haben aber auch erfahren, warum die Marder Elektroleitungen so „zum Zerbeißen“ finden.
Biber haben wir zwar nicht in der Natur beobachten können, aber deutlich sehen können, dass er in den Gewässern der Region aktiv ist (Bild).
Die letzte Etappe führte uns zur Bokeler Heide. Carsten brachte uns hier die Entstehung, Beschaffenheit und Qualitäten einer Heidelandschaft näher. Vom Bahnhof Bad Bodenteich brachten Züge die einen und der Busshuttle die anderen nach Hause.
Auch die diesjährige Tour mit drei Tage Sonne satt sorgte wieder für viele fröhliche Gesichter und zeigte uns eine Landschaft mit einer reichhaltigen Geschichte, deren letzte 75 Jahre wesentlich von der innerdeutschen Teilung geprägt wurden aber auch vielfältige Naturschätze. Wir haben gesehen, das die innerdeutsche Grenze auch hier, in der Altmark, um die Wirtschaftswunderstadt Wolfsburg, in den Landkreisen Gifhorn oder Salzwedel immer noch präsent ist – durch Gedenksteine und Schilder, durch entstandene Biotope, auch durch Grenzwege und Niemandsland. Diese ErFAHRung hat uns wieder darin bestärkt, dass das Grüne Band einzigartig ist und in der Kombination aus historischer Verantwortung und Aufarbeitung sowie Erhaltung der Naturschätze ein Naturmonument werden sollte, in Thüringen und darüber hinaus.
Unser großer Dank gilt den Organisator*innen der diesjährigen Tour. Schon heute freuen wir uns auf die nächste Tour – es wird unsere zehnte werden. Ihr könnt Euch schon mal das Wochenende vom 16.-18. August vormerken.
Ein kleines Video zur Tour ist hier auf facebook zu finden.
Weitere Impressionen finden sich hier: https://www.gruene-thl.de/aufarbeitung/mittn-de-welt oder in einem Album auf meiner facebook-Seite.
veröffentlicht am 23.08.2018
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