An den
Thüringer Minister für Migration, Justiz und Verbraucher*innenschutz, Dirk Adams
und die weiteren Mitglieder der Thüringer Landesregierung
Save them all!
Seit Monaten ist die unmenschliche Situation der Geflüchteten in Griechenland bekannt – katastrophale hygienische Zustände, die medizinische Versorgung, Lebensmittelknappheit, Unterkünfte… Trotz einer am 08. März 2020 getroffenen Vereinbarung auf Bundesebene zur Aufnahme von 1.500 unbegleiteten minderjährigen Kindern gibt es bis heute keinerlei Maßnahmen, die diese Vereinbarung in die Tat umsetzen.
Doch es sind nicht nur die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen, die von den menschenunwürdigen Zuständen in den griechischen Lagern betroffen sind. Es sind ebenso Frauen, Männer, Familien, ältere Personen – alle Geflüchteten, die in dieser verheerenden Lage ausharren. Dort droht auch angesichts des sich ausbreitenden Corona-Virus eine humanitäre Katastrophe.
Seit Wochen wird auf die Zuständigkeit des Bundes und dessen Blockadehaltung verwiesen.
Wir wissen mittlerweile, dass der Bund nicht zügig handeln wird. Die erkennbare Verzögerungs- und Verhinderungstaktik fordert am Ende Menschenleben.
Wir können und wollen diese Zustände nicht mehr hinnehmen.
Wir können und wollen nicht länger zuschauen, wie die Situation weiter eskaliert.
Wir fordern: Es muss endlich gehandelt werden!
Wir wissen, dass es in Thüringen den politischen Willen gibt, Geflüchtete über die bereits vereinbarten Regelungen mit dem Bund hinaus aufzunehmen. Wir unterstützen dies ausdrücklich.
Wir unterstützen, dass das Thüringer Ministerium für Justiz, Migration und Verbraucherschutz Maßnahmen ergreift, um den Geflüchteten in Griechenland zu helfen und sie aus dieser Situation herauszuholen. Wir verweisen auf entsprechende Rechtsgutachten (Redeker, Sellner, DAHS vom 05.03.2020, https://bit.ly/2R8R1OB / Rosa Luxemburg Stiftung aus März 2020, https://bit.ly/2JymSnB): Aus diesen geht eindeutig hervor, dass Bundesländer eigenständig agieren können, um Schutzsuchende aufzunehmen.
Das Bundesministerium des Inneren widersprach dem Rechtsgutachten der Kanzlei Redeker in einem Schreiben vom 02. April 2020. Das BMI erklärte, der Bund habe von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht, weshalb die Länder keinerlei Kompetenz hätten. Dieses Schreiben negiert jedoch, dass § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz ausdrücklich eine Entscheidungskompetenz der Länder normiert, „bestimmten Ausländergruppen“ „aus humanitären Gründen“ eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren bzw. ihre Aufnahme anzuordnen.
Wir unterstützen die zuständigen Ministerien, allen voran das Thüringer Ministerium für Justiz, Migration und Verbraucherschutz bei der Umsetzung folgender, jetzt notwendiger Schritte:
- entsprechend des Koalitionsvertrages öffentlich und nachdrücklich Position gegenüber dem Bund zu ergreifen und deutlich die Haltung gegenüber dem Bundesinnenministerium zu vertreten: „Wir holen Menschen jetzt nach Thüringen“
- schnellstmöglich ein entsprechendes Landesaufnahmeprogramm auf Basis einer Landesaufnahmeanordnung zu erstellen, auf dessen Grundlage Thüringen aktiv werden kann, um Schutzsuchenden aus Griechenland Schutz zu bieten
- zur Vorbereitung der Aufnahme mit Landesregierungen, die ebenfalls die Aufnahme Geflüchteter aus Griechenland diskutieren (z.B. Berlin), eine Verständigung über die Personengruppe, Anzahl, Aufnahmebedingungen und gegenseitige Unterstützung etc. zu suchen
- Kontakt zu Behörden und NGOs in Deutschland sowie in Griechenland aufzunehmen, um konkrete Absprachen und Maßnahmen zu treffen und zu vereinbaren – mit dem Ziel, schutzsuchende Menschen von Griechenland nach Thüringen zu holen
- Kontakt zum Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen herzustellen, um mit ihm über die katastrophalen Zustände auf den griechischen Inseln zu sprechen und Unterstützungsmöglichkeiten des UNHCR auszuloten
- Kontakt zu auch in Deutschland aktiven NGOs aufzunehmen und deren Kompetenzen mit einzubeziehen, auch um in Thüringen entsprechende Vorbereitungen für die Aufnahme zu treffen
Wir erwarten, dass der Bund dabei weder dem Land Thüringen noch weiteren Bundesländern und aufnahmewilligen Kommunen Hürden in den Weg legt, sondern den Willen von Landesaufnahmeprogrammen unterstützt. Wir werden das entsprechende Vorgehen Thüringens mit all unseren Möglichkeiten unterstützen.
Bereits im September 2019 hat sich der Thüringer Landtag zum Osterappell von mehr als 200 Mitgliedern des 19. Deutschen Bundestages und zur Initiative „Seebrücke – schafft sichere Häfen!“ sowie zur Verantwortung des Freistaats Thüringen bekannt: „Die europäische Idee von sozialer Gerechtigkeit, Humanismus und internationaler Solidarität kann sich nur verwirklichen, wenn Europa und seine Mitgliedsländer ihrer Verantwortung für Schutzsuchende gerecht werden. (…) Die Bundesrepublik als Teil der europäischen Union – und der Freistaat Thüringen als Teil der Bundesrepublik Deutschland – sind in der Verpflichtung, humanitär initiativ zu werden (…)“ (Landtagsbeschluss 13.09.2019, Drucksache 6/7742). Diese Verantwortung gilt jetzt – angesichts einer sich zur Pandemie ausbreitenden Epidemie, die die Menschen in den Lagern bedroht – erst recht.
Wir wissen, es ist schwierig oder – so die Aussage einiger – unmöglich, ohne Zustimmung des Bundes Geflüchtete aus Griechenland zu holen. Wir wollen und werden unterstützen, dass auch scheinbar Unmögliches versucht wird, alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sowie unkonventionelle Wege gegangen werden, um Menschen zu retten und ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen.
Wir haben Platz.
Unterzeichner*innen
Beier, Patrick
Berninger, Sabine
Bilay, Sascha
Dittes, Steffen
Eger, Cordula
Engel, Kati
Güngör, Lena Saniye
Hartung, Thomas
Henfling, Madeleine
König-Preuss, Katharina
Lehmann, Diana
Marx, Dorothea
Maurer, Katja
Müller, Anja
Plötner, Ralf
Rothe-Beinlich, Astrid
Schaft, Christian
Wahl, Laura
Weltzien, Philipp
Katharina Schmidt
Sebastian Götte
Justus heuer
Isabell Welle
Bernhard Stengele
Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt.
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