Wissenslücken zum Rechtsextremismus auch in kommunalen Behörden, Staatsanwaltschaften und dem Innenministerium

Astrid Rothe-Beinlich zeigt sich entsetzt über Antwort auf Kleine Anfrage zur Nazi-Demonstration am 1. Mai in Gera

Ein Gutachten zur Polizeiausbildung, das der NSU-Untersuchungsausschuss angeregt hatte und jüngst vorgestellt wurde, regt Nachbesserungen im Themenkomplex Rechtsextremismus und Neonazismus an. „Die festgestellten Defizite insbesondere in der praktischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten, Neonazis und Rassisten treffen aber auch auf Teile der kommunalen Behörden, manche Staatsanwaltschaften und sogar Teile des Innenministeriums zu„, erklärt die grüne Landtagsabgeordnete Astrid Rothe-Beinlich. „Zu dieser Einschätzung muss man nach der Antwort aus dem Innenministerium auf die Kleine Anfrage von Madeleine Henfling und mir zur 1. Mai-Demonstration des sogenannten ‚III. Weges‘ in Gera kommen.

Es sind mehrere Punkte, die die Abgeordnete zu energischem Kopfschütteln veranlassen:
Es ist mir erstens unverständlich, wie eine Behörde, hier die Stadt Gera, einen Aufzug mit Fackeln, Trommeln und Uniformierung genehmigen konnte. Zweitens bleibt unklar, dass die Staatsanwaltschaft keine Uniformierung erkennen konnte. Und drittens kann ich nicht nachvollziehen, dass das Innenministerium einschätzt, es hätte sich bei dem Aufmarsch ’nicht um ein symbolhaftes Nachspielen einer nationalsozialistischen Veranstaltung gehandelt‘.“
Denn genau das war es: An einem 1. Mai, der von den Nationalsozialisten als ‚Tag der nationalen Arbeit‘ 1933 zum gesetzlichen Feiertag erklärt wurde, mit Fackeln, Trommeln, Uniformierung und Feuerwerk durch eine Stadt zu ziehen ist bitte was sonst?,“ fragt Rothe-Beinlich. „Wenn das Innenministerium das nicht erkennt, braucht es hier dringend Fortbildung.

Der III. Weg gilt als gewaltbereite Nazi-Truppe. Diese ohne seitliche Polizeibegleitung durch Gera ziehen zu lassen, war grob fahrlässig„, stellt die grüne Abgeordnete klar. Die vor dem Büro der Abgeordneten an der Geraer Heinrichstraße angemeldete Demonstration für Weltoffenheit hätte im Falle eines Übergriffs aus der rechtsextremen Demonstration keine Chance zur Flucht gehabt. „Wir waren von der Polizei eingegittert, es blieb uns nur ein einziger kleiner Fluchtweg,“ beschreibt sie ihre Erfahrungen. Diese Einschränkung der Demonstrationsfreiheit hat die Polizei absichtlich, da auf Nachfrage bestätigt, entgegen dem Auflagenbescheid der Stadt Gera vorgenommen. Verstöße der Rechtsextremen gegen den Auflagenbescheid, wie bei der mehrfachen Verwendung von Pyrotechnik, blieben dagegen ungeahndet.


Sehr negativ ist mir zudem aufgefallen, dass zeitweise Besucher*innen der 1.Mai-Veranstaltung des DGB, die durch die Heinrichstraße kamen, durch die Nazi-Demo hindurch mussten, da ihnen die Polizei keinen anderen Weg anbot.
Aus meinen Erkenntnissen vom 1. Mai vor Ort und den Antworten auf die Anfrage kann ich nur das Fazit ziehen: Ich bin entsetzt, mit welchem Verständnis die Demonstration vorher, im Verlaufe und im Nachgang bewertet wurde. Ich rege dringend eine Weiterbildung bei allen an Genehmigung und Durchführung beteiligten Behörden an„, so Astrid Rothe-Beinlich abschließend.

Anlage: Kleine Anfrage von Astrid Rothe-Beinlich, MdL und Madeleine Henfling, MdL, mit Antwort des Innenministeriums

veröffentlicht am 16.08.2017

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