Thueringen Landtag

Eröffnungsrede zum Jahresempfang des Beirates für Nachhaltige Entwicklung in Thüringen

Als Vizepräsidentin des Thüringer Landtages eröffnet Astrid Rothe-Beinlich den Empfang mit einem Grußwort

Sehr geehrte Frau Thieme, lieber Albert Statz,
sehr geehrter Herr Prof. Wesselak,
sehr geehrte Frau Staatsseketärin Neubert, liebe Anja Siegesmund,
sehr geehrte Mitglieder des Beirates zur Nachhaltigen Entwicklung Thüringen,
sehr geehrte Vertreter der Kommunen, der Verbände und Vereine,
liebe Gäste,

ich begrüße Sie sehr herzlich hier im Thüringer Landtag.
Ich freue mich, dass unser Landesparlament Gastgeber für Ihren Jahresempfang ist und ich so viele engagierte Bürgerinnen und Bürger willkommen heißen kann.
Hier im Landtag sind Sie mit Ihrem Anliegen, das Prinzip der Nachhaltigkeit auf allen Ebenen unserer Gesellschaft fest zu verankern, genau richtig.
Denn der Thüringer Landtag ist ein Ort der politischen Entscheidungsfindung und des gesellschaftlichen Diskurses.
Er trägt wie keine andere Institution dieses Landes die Verantwortung für die Gestaltung des Gemeinwesens.

Wir Abgeordneten des Thüringer Landtags sind sehr daran interessiert, den Dialog mit Ihnen über die weitere Stärkung der Nachhaltigkeit in unserem politischen Handeln zu intensivieren.
Wir schätzen Ihre Expertise und fachliche Beratung.
Sie hilft uns, die Aufgaben des Landtags als oberstem Gesetzgeber Thüringens zu erfüllen.

Es geht heute also um Nachhaltigkeit, um eine nachhaltige Entwicklung. Dies ist sogar in der Thüringer Landesverfassung verankert, sinngemäß in der Präambel und in den Artikeln 31-33.

Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz über den Begriff reflektieren.

Gern wird die Nachhaltigkeit auf Carl Hans von Carlowitz, Oberberghauptmann in sächsischen Diensten, zurückgeführt. In seinem Buch „Sylvicultura oeconomica“ (Über die wirtschaftliche Waldpflege) 1713 forderte er, dass nur soviel Holz geschlagen werde, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen könne.
Diese Idee stand offenkundig direkt Pate für die Weltnaturschutzstrategie der UNO von 1980 und den so genannten Brundtland-Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ von 1987.

Letzterer hatte seinen Vorläufer in dem aufschreckenden Bericht des „Club of Rome“ von 1972: „Die Grenzen des Wachstums“. Wenn man so will – ist der „Club of Rome“ ein Vorgänger von Ihnen – als ein Beirat für Nachhaltige Entwicklung.

Gro Harlem Brundtland, Namensgeberin der Kommission von 1987, erklärte Nachhaltigkeit wie folgt: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende.

Ich meine, von Carlowitz war vielleicht der erste in hiesigen Breiten, aber schon die Formulierung bei Frau Brundtland legt nahe, dass sie sich mehr auf das Konzept der „seven generation sustainability“ bezieht.
Sinngemäß bedeutet das: „Bei jeder Entscheidung müssen wir die Bedeutung für die nächsten sieben Generationen bedenken.“
Dieses ökologische Konzept wird mehreren nordamerikanischen Indianerstämmen zugeschrieben, prominenteste und hier beispielhaft angeführt, wohl die Irokesen.

Die aktuelle Generation der Menschen solle also so nachhaltig leben und arbeiten, dass es für die siebente Generation von jetzt immer noch vorteilhaft ist. Gemäß der Lebenserfahrung der Indianer reden wir also über einen Zeitraum von 140 Jahren.

Das sind sehr große Fußstapfen, in die wir hier im Landtag bzw. sie als unsere Ratgeberinnen und Ratgeber treten, ja wahrscheinlich treten müssen.

Wir Abgeordneten haben die Nachhaltigkeit zum übergeordneten Prinzip unseres Handelns erklärt. Erst jüngst war nachhaltige Entwicklung wieder Thema im Landtag bei der Debatte des Landesentwicklungsprogramms – und diese verlief durchaus kontrovers.

Nachhaltig – soweit sind wir uns hier im Landtag ja einig – ist unser Handeln dann, wenn es die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales gleichermaßen berücksichtigt.

Das ist in der Praxis und im Konkreten natürlich kompliziert und findet wohl nie eine endgültige Lösung. Nachhaltigkeit würde ich heute und insbesondere hier im Landtag als einen permanten Aushandlungsprozess beschreiben.

Trotzdem ständig von Entwicklungen gesprochen wird, und wir dabei sofort an Steigerung denken – setzt das Nachhaltigkeitsmodell doch im Grunde auf einen dynamischen Ausgleich und ein Gleichgewicht – auf ein komplexes Ausbalancieren und Austarieren.

Ausgeschlossen werden soll, dass eine Dimension permanent wächst. Dies würde zu Lasten der anderen Dimensionen gehen und wäre nicht mehr kompensierbar, also nicht mehr nachhaltig.

Da sind wir nun direkt im Kern der Aufgabe hier im Parlament. Lassen wir – ich benutze bewusst den nachfolgenden Begriff – den Kapitalismus ungezügelt und ungeregelt wachsen, zerstören wir letztlich unsere eigene Lebensgrundlage. Wir haben somit nur diese eine Wahl: Wir reglementieren und damit auch transformieren unsere Gesellschaft. Und zwar deshalb, weil wir primär eine politische Gesellschaft sind.

So steht es auch in der Folgestudie zu den Grenzen des Wachstums „Die Welt im Jahre 2052“ sinngemäß und in norwegischem Understatement:
Der Kapitalismus wird in den nächsten 40 Jahren wohl kaum unverändert fortbestehen. Investitionen werden nicht länger ausschließlich durch das gesteuert werden, was profitabel ist. Sondern Firmen werden dazu gezwungen werden, auch über die ökologischen und sozialen Folgen ihres Handelns im globalen Maßstab Rechenschaft abzulegen.

Und wir – und damit meine ich die Abgeordneten genauso wie Sie hier, Mitglieder des Beirates und Gäste der Veranstaltung – als wichtiger Teil der Zivilgesellschaft – werden die Steuerung übernehmen. Eine Steuerung im Sinne der Nachhaltigkeit: Das heißt: Keine Dimension darf permanent wachsen.

Tun wir mit den Landtagsinitiativen hier oder tut die Landesregierung mit bereits eingeleiteten Programmen genug für die Nachhaltigkeit in Thüringen?

Mit dieser Frage sind Sie, verehrte Beiratsmitglieder, heute in den Landtag gekommen.

Sie suchen das Gespräch darüber, wie wir eine den Problemlagen angemessene Integration von Nachhaltigkeitspolitik gewährleisten können.

Sie wollen die Abgeordneten dabei unterstützen, den gesellschaftlichen Wandel zu forcieren, damit es nicht bei den wohlklingenden Worten bleibt, die allenthalben zum Thema Nachhaltigkeit zu hören sind.

Ich gehe davon aus, dass unter den Abgeordneten aller Fraktionen Einigkeit besteht, dass die Natur nicht stärker belastet werden darf, als sie es verkraften kann. Über den Weg, dies zu erreichen, also die Art und Weise der Reglementierung und Transformation besteht allerdings nicht immer Einigkeit.

Der Klimawandel durch menschliche Aktivität ist eine Tatsache. Die Endlichkeit natürlicher Rohstoffe und ein dramatischer Verlust an Artenvielfalt weltweit verdeutlichen die Brisanz der Thematik: Unser Planet ist für unseren Lebenswandel zu klein. Oder anders gesagt: Wir fahren auf Verschleiß und zehren die Substanz unseres Planeten auf.

Gelingt es uns schon hinreichend, unsere heutigen Probleme zu lösen und sie nicht auf die nachfolgenden Generationen abzuwälzen?
Diese simple Frage zeigt, daß wir uns von der „Sieben-Generationen-Nachhaltigkeit“ doch eher entfernt haben.

Es fällt uns schon schwer, unsere Wirtschafts-, Energie-, Umwelt- und Sozialpolitik so auszurichten, dass sie die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigen, an die Chancen künftiger Generationen wird immer wieder zu wenig gedacht.

Die Weltöffentlichkeit hat längst Armut und Unterversorgung, Raubbau an der Natur, Umweltverschmutzung und Klimawandel als große Bedrohung für die internationale Stabilität erkannt.
Akteure der Zivilgesellschaft und Einzelpersonen versuchen, an den politischen Entscheidungen im Rahmen der Weltgesellschaft teilzuhaben.

Von Human Rights Watch bis Fair Trade, von Attac bis zum Globalen Marshall Plan, von der Mikrokreditbank bis zu großen Stiftungen:
Nie zuvor engagierten sich so viele Menschen im Kampf für mehr soziale und ökologische Gerechtigkeit. Und womöglich war es nie zuvor auch so notwendig wie jetzt.

Der Beirat für Nachhaltige Entwicklung, also Sie, gehört zu den Akteuren der Zivilgesellschaft, die sich auf regionaler Ebene, in Thüringen, für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen – Global denken und lokel handeln eben

Der Beirat ist als Netzwerk und als Plattform unverzichtbar, weil er den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorantreibt.
Ohne diese Vernetzung, diese Zusammenarbeit, ist ein erfolgreicher Prozess des Aushandelns der drei Dimensionen, nicht denkbar.

Die demokratische Gesellschaft – ist in der Lage, durch aktives Handeln den Prozess der Nachhaltigkeit zu beeinflussen, mehr noch, sie ist in der Pflicht, dies auch zu tun.
Dies setzt auch eine informierte und dadurch mündige Bevölkerung voraus. Damit kann es gelingen, die Ziele einer Politik, die auf eine nachhaltige Entwicklung in Thüringen setzt, möglichst breit in unserer Bevölkerung zu verankern.

Ihnen, verehrte Mitglieder des Beirats, kommt in diesem Rahmen eine große Bedeutung zu. Ich wünsche Ihnen dabei weiterhin viel Gehör, das nötige Quantum Geduld, insbesondere mit uns hier im Landtag und – das wichtigste – viele Erfolge.

Ich hoffe – nein ich weiß – Sie werden auch künftig die Politik des Landes Thüringen konstruktiv kritisch begleiten und Abgeordnete wie Landesregierung dabei unterstützen – auch manchmal anschieben – konkrete Fortschritte zu erzielen.

Uns allen wünsche ich heute einen anregenden Abend und fruchtbringende, Gespräche und noch viele kleine, wichtige Schritte in eine nachhaltige Zukunft.

Hinweis: Es gilt das gesprochene Wort.

Angehängt finden Sie das obige Manuskript der Rede auch zum Download.

veröffentlicht am 12.02.2014

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